Beim Stöbern in Kinderbuchhandlungen ist es immer wieder auffällig, dass der Kinderbuchmarkt dringend eine Revolution braucht.

Es mag richtig sein, dass Deutschland einst ein Land voller weißer² Menschen war, die sich nur in Vater-Mutter-Kind-Konstellationen gezeigt haben, dass alle Frauen Kleider und alle Männer Bärte trugen. Doch die Zeit schritt voran, und – dem geistigen Fortschritt sei Dank – dürfen jene Menschen, die aufgrund ihres Aussehens, ihrer Geschlechtsidentität, ihrer körperlichen Beeinträchtigung oder ihrer romantischen Orientierung im Hintergrund gehalten wurden, an der Gesellschaft teilhaben und diese mitgestalten.

Kinderbücher erzählen Geschichten. Sie entführen uns manchmal in fremde Welten, in denen die Kreativität keine Grenzen kennt. Manchmal erzählen sie Kindern jedoch auch Dinge, die für ihr weiteres Leben wichtig sein werden. Sie bereiten Kinder darauf vor, was sie in ihrem späteren Leben in der Gesellschaft erwartet.

In dieser Gesellschaft, die vielfältig ist. In der jeder Mensch ein Recht hat zu sein, wer und wie er ist.

Warum also sind Kinderbücher noch immer von weißen Menschen dominiert?

Von Menschen ohne Beeinträchtigungen?

Frauen mit langen und Männern mit kurzen Haaren?

Ist das wirklich die Gesellschaft, in der wir leben?

Glücklicherweise gibt es immer mehr wunderbare Kinderbücher, die wie selbstverständlich Diversität abbilden, auch ohne sie zum Hauptthema des Buches zu machen.

Aber unsere Gesellschaft ist immer bunt. Warum gibt es überhaupt noch Bücher, die es nicht sind?

Es gibt Familien mit Alleinerziehenden. Es gibt Familien mit zwei Müttern oder zwei Vätern. Es gibt Patchworkfamilien, Kinder in Heimen und undenkbar viele weitere Konstellationen von Leben und Familie. Diese sind in Kinderbüchern stets unterrepräsentiert.

Inzwischen existieren immer mehr Kinderbücher, die Themen wie homosexuelle Eltern thematisieren. Diese Bücher sind progressiv und wichtig, um Kindern spezielle Sachverhalte erklären zu können. Doch sobald es nicht um ein Thema geht, das die menschliche Vielfalt betrifft, wird diese viel zu häufig nicht einmal im Hintergrund abgebildet.

Die Rede ist von Wimmelbüchern, von Schuleinstiegsbüchern, von Fantasiebüchern und „Ich lerne aufs Töpfchen zu gehen“-Büchern. Von allen Büchern, die Diversität nicht zum Hauptthema haben und dadurch leider häufig völlig vergessen, diese überhaupt abzubilden.

Es sind die plakativen Bilderbuchfamilien, die, sobald sie die illustrierte Haustüre verlassen, auf der Straße nur weitere Bilderbuchfamilien vorfinden. Doch alle Familien sollten Bilderbuchfamilien sein. Es sollte normal sein, dass in einem Buch ein Kind von homosexuellen Eltern, ein Kind von Eltern mit unterschiedlichen Hautfarben oder ein Kind im Rollstuhl davon erzählt, wie es in die Schule kommt oder lernt, aufs Töpfchen zu gehen.

Diversität muss im Hintergrund abgebildet werden. Sie muss allgegenwärtig sein, auch ohne, dass sie zum Hauptthema des Buches gemacht wird. So lernen Kinder, Vielfalt von vornherein als naturgegeben wahrzunehmen.

Weiße Kinder werden sich nicht plötzlich unterrepräsentiert fühlen, wenn mehr Hautfarben in Kinderbüchern zu sehen sind. Viel zu tief sind weiße Protagonist*innen bereits in den Kinderbuchmarkt integriert. Conny und ihre Familie verschwinden ja nicht einfach vom Markt, Schneewittchen ist nicht plötzlich nicht mehr weiß und Peterson bleibt weiterhin der gute alte Peterson, den wir kennen. Und das ist auch gut so. Weiße Menschen ohne Beeinträchtigung in Vater-Mutter-Kind-Konstellationen müssen natürlich weiterhin in Kinderbüchern repräsentiert werden, denn sie sind Teil der Gesellschaft. Doch Menschen anderer Hautfarben und Hintergründe sind es ebenso.

Wenn es keine Bücher mit Protagonist*innen mit dunkler Hautfarbe gibt, keine mit Beeinträchtigung, keine elternlosen Kinder und vieles mehr, wird es immer Kinder geben, die sich unterrepräsentiert fühlen. Kinder, die ein unrealistisches Bild der Gesellschaft als richtig und normal verinnerlichen.

Die Reproduktion des strukturellen Rassismus und der Diskriminierung findet demnach sehr subtil sogar in der Kinderliteratur statt. Und wir Erwachsene haben das Zepter in der Hand, um diesen Umstand zu verbessern. 

Durch die frühe Aneignung von Vielfalt haben Kinder es später leichter, sich in der Gesellschaft zurechtzufinden und die Kinder, die bislang diskriminierten Gruppen angehörten, erfahren weniger Ausgrenzung. Warum sollen wir Kinder also nicht spielerisch auf das vorbereiten, was sie ohnehin umgibt?

 

Die Kinderbücher von Bücherpädagogik sind stets darauf bedacht, Diversität abzubilden. Auch wenn das Thema des Buches ein anderes ist, wird darauf geachtet, Vielfalt in Form von Hautfarben, Familienformen und Co. abzubilden.

 

 Ein kleiner Denkanstoß für alle Autor*innen und Illustrator*innen da draußen:

  • Wie divers ist Dein Buch?
  • Wird die Gesellschaft realistisch dargestellt? 
  • Müssen die Protagonisten alle weiß sein?
  • Wie sehen die Menschen im Hintergrund aus?

 

 

²Vielleicht fragst Du Dich „Warum steht denn da jetzt „weiß“, wenn wir doch eigentlich aufhören wollen, Menschen zu kategorisieren?“ Grundsätzlich hast Du damit recht, aber: An dieser Stelle steht „weiß“, um auf das Privileg aufmerksam zu machen, sich nur gewollt mit Rassismus auseinandersetzen zu müssen. Die Bezeichnung als „weiß“ ist in politischen sowie sozialen Debatten ein wichtiger Begriff, durch welchen Anerkannt wird, dass es aktuell in unserer Gesellschaft durchaus Unterschiede in der Behandlung von weißen Menschen und Menschen mit Migrationshintergrund gibt. Eine als weiß bezeichnete Person wurde nie ungewollt mit Rassismus konfrontiert, doch kann trotzdem (sogar erst recht!) gegen diesen ankämpfen.